Das Marketing-Projekt: wie ein guter Paartanz

Jede(r) Selbstständige kennt es: es ist nicht immer ganz einfach, mit Kunden Projekte zu realisieren, vor allem wenn unterschiedliche Charaktere aufeinandertreffen.

Denn häufig treffen Profis für einen bestimmten Bereich auf Auftraggeber, die auf einen Experten angewiesen sind, um ein bestimmtes Problem lösen zu lassen. Das ist in Projekten meines Alltags – Online-Marketing-Beratung für Rechtsanwälte – häufig der Fall. Denn kaum ein Rechtsanwalt hat Ahnung von Themen wie Webgestaltung oder SEM – muss er ja auch nicht. Denn schließlich gibt es dafür Profis. Gleichzeitig haben aber viele Auftraggeber den Eindruck, dass sie das Heft im Projekt in der Hand behalten müssen – ein wenig nach dem Motto „wer zahlt, schafft an“ (also „wer zahlt, bestimmt, wo es langgeht“).

Diese Kombination macht Projekte dann oft komplizierter als nötig. Wird es kompliziert, weil es zu einer Art Kompetenzgerangel kommt, hilft oft ein gedankliches Bild, um den Sand im Getriebe eines Projekts wieder loszuwerden: in einem Tanz sollte immer der bessere Tänzer führen.

Wenn eine Musikerin tanzt

Aber wie komme ich auf das Bild? Ich selbst bin Musikerin von Kindesbeinen an, habe aber zu Schulzeiten nie einen Tanzkurs gemacht. Das wollte ich im Studium nachholen und belegte mit einem Studienkollegen einen Kurs. Er war etwas kleiner als ich und hatte mit Musik und Takt (im musikalischen Sinne!) nicht viel am Hut.

Was geschah? Wir lernten die Schritte erst einmal ohne Musik – das klappte soweit. Dann setzte die Musik ein und: mein Tanzpartner fand den Takt nicht, versuchte dennoch, mich zu führen. Wenn man den Takt allerdings selbst spürt, ist es nahezu unmöglich, mit jemandem zu tanzen, der den Takt nicht findet. Also blieb ich immer stehen…

So ähnlich fühlt es sich für mich inzwischen an, wenn ein Kunde sich gefühlt jedem (professionellen) Rat und anscheinend aus Prinzip widersetzt, und damit einen Text, eine Website oder SEA-Kampagnen verschlimmbessert. Und genau diese Situation kann zu Komplikationen führen: ein Projekt ins Stocken bringen, das Arbeitsergebnis verschlechtern oder im Extremfall das Projekt komplett vor die Wand fahren lassen. Also muss man sich etwas ausdenken, damit aus dem Stolpern im Projekt ein möglichst flüssiger Tanz wird.

Wer führt denn nun?

Mit dem Kopf durch die Wand hilft nicht. Wenn beide Tänzer führen wollen, geht nichts vorwärts, aber auch nichts zurück. Das habe ich selbst ausprobiert, es funktioniert nicht.

Es hilft nur eines: sein Gegenüber davon zu überzeugen, dass der bessere „Tänzer“ (= die Person mit der nötigen Fachkompetenz) „führen“ muss – und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht oder Körpergröße. Meiner Erfahrung nach hilft dabei das Bild von einem harmonischen Tanz auch dem Silberrücken 50+-Entscheider, sich z.B. auch von einer deutlich jüngeren Frau führen zu lassen. Denn wer weiß, wie sich „geführt werden“ anfühlt, weiß, dass zwar Druck ausgeübt werden muss, aber eben sanfter Druck. Lässt man sich darauf ein, fühlt sich alles plötzlich ganz leicht an – beim Tanzen wie im Projekt.

Gilt es in einem Projekt tatsächlich zu klären, wer „führt“, versuche ich zunächst, die Führung mit sanftem Druck zu übernehmen, ohne das Thema direkt anzusprechen. Oftmals gelingt es, mit erfolgreichen Beispielen aus der Vergangenheit – sprich: Kommunikation von Expertise – das Führen übernehmen zu können. So kann das Gegenüber vielleicht von selbst erkennen, dass es gut ist, sich führen zu lassen, weil das schon bei anderen funktioniert und zu einem guten Ergebnis geführt hat. Gerade bei Anwälten ist Expertise in mehrfacher Hinsicht oftmals der Schlüssel zum Erfolg, wenn es darum geht, wer führen sollte und wer sich im Projekt führen lassen sollte.

Wenn das nicht gelingt – auch das kommt vor –, muss man tatsächlich das Thema anschneiden und direkt formulieren. Der Vergleich mit dem Tanz ist dann ein charmantes, friedliches und nicht kampfbetontes Bild, das oft den Weg zurück in ein harmonisches Projekt ebnet.

Und wenn das alles nichts bringt? Partnerwechsel!

Und doch gibt es Situationen, in denen weder das eine noch das andere hilft. Wer der Grund dafür ist, ist dann vollkommen zweitrangig. Manche Tanzpartner passen einfach nicht zusammen…

Ist man nicht allein im Unternehmen, hilft es ggfs. intern den Ansprechpartner zu wechseln. Vielleicht stimmen die Vibes dann besser und das Projekt ist „gerettet“.

Hilft auch das nicht oder kann man schlicht nicht an eine andere Person übergeben, muss man die Größe entwickeln, einen Tanzversuch – sprich ein Projekt – auch einmal abzubrechen. Ein Tanz auf Biegen und Brechen führt immer zu einem mehr als holprigen Ergebnis. Davon hat der Kunde nichts. Und auch man selbst ist entweder über ein suboptimales Ergebnis enttäuscht oder muss sich über negative Bewertungen / Mundpropaganda ärgern. Und das gilt es auf alle Fälle zu vermeiden.

Denn wir alle wissen, wie schön es sich anfühlt, wenn man mit Kunden in bester Harmonie quasi über das Parkett „schwebt“.