Wer stört?!

Hin und wieder sieht man sich als Onlinemarketing-Agentur für Rechtsanwälte kritischen Rückfragen zum Erfolg bzw. ausbleibendem Erfolg von bestimmten Maßnahmen ausgesetzt. Vollkommen normal und das ist auch vollkommen in Ordnung so – um das gleich vorwegzunehmen. 

Jedoch können wir inzwischen eines auch aus eigener Erfahrung berichten: Onlinemarketing kann auch an einer Kanzlei scheitern. Denn wenn Klickzahlen stimmen, telefonische Mandats­anfragen zunehmen, ein Kontaktformular rege genutzt wird und eine deutliche Zunahme der Mandats­anfragen per E-Mail zu verzeichnen sind, aber dabei am Ende „nichts rumkommt“, liegt das unter Umständen an der Kanzlei, nicht am (Online-) Marketing. 

Denn in dem Augenblick, indem sich ein potenzieller Neumandant aufgrund erfolgreicher Marketing­maßnahmen an die Kanzlei wendet (telefonisch, E-Mail, persönlich), ist das ganze Kanzleiteam inkl. Berufsträgern in der Verantwortung, aus dem potenziellen einen neuen Mandanten zu machen. 

Freundlichkeit ist eine Zier

„Freund­lichkeit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr“ sagt eine deutsche Redensart. Gut, eigentlich heißt es wohl: Bescheidenheit ist eine Zier. Aber die Abwandlung mit der Freundlichkeit haben sich etliche Kollegen und deren Mitarbeiter ggfs. etwas zu sehr zu Herzen genommen und sind offenbar der Auffassung, dass Freundlichkeit im Umgang mit (Neu-) Mandanten verzichtbar ist.

Denn Freundlichkeit und Höflichkeit am Telefon sind für etliche Kanzleien tatsächlich keine Selbst­verständ­lichkeit – vor allem bei der allerersten Reaktion z. B. am Telefon, ob von Berufsträgern oder nicht­juristischen Mitarbeitern. 

Wir telefonieren ja immer wieder einmal mit Kanzleien ganz unterschiedlicher Art und Größe. Oftmals rechnet man nicht mit unserem Anruf, auch unsere Kunden nicht, so dass wir in vielen Fällen einen sehr guten Eindruck vom „Umgangston“ einer Kanzlei bekommen. Und da ist wirklich alles dabei: von sehr netten Damen und Herren am Telefon, ob Mitarbeiter oder Berufsträger selbst bis hin zum genervten Kasernenhofton. 

Ich gestehe zu: Der Ton, den Mandanten teils am Telefon an den Tag legen, ist oftmals auch mehr als grenzwertig. Insofern ist es nachvoll­ziehbar, dass man gerade in der ersten Reihe am Telefon etwas unempfind­lich gegen rauen Umgangston wird und ihn ggfs. sogar übernimmt. 

So erinnere ich mich an die Anfänge meiner Anwalts­tätigkeit, in der ein Mandant den Kollegen einige Büros weiter massiv durchs Telefon anbrüllte. Was tat der Kollege? Er brüllte zurück und legte auf. Zurecht. Und wenig später rief der Mandant kleinlaut an und man erörterte in aller Ruhe sein Problem. Eine Lehre damals für mich als junge Anwältin: man muss sich von Mandanten nicht alles gefallen lassen. Aber – und das konnte ich von dem Kollegen ebenfalls lernen: er war STETS zu allen Anrufern zunächst höflich. Bei ihm schallte es, wenn überhaupt, nur aus dem Wald heraus wie der Mandant hineinrief. 

Und ich denke das muss Maßstab sein: Freundlich­keit und Höflichkeit sind gerade beim allerersten Kontakt Grundvoraussetzung für erfolgreiche(re) Akquise. Dabei darf es keine Rolle spielen, ob der Anrufannehmende gerade schlechte Laune hat, z. B. weil zwei Minuten zuvor ein anderer Mandant eben diese Laune verhagelt hat. Denn Befindlich­keiten von Anwalt und Team interessieren einen neuen Mandanten schlichtweg nicht, wenn er sich mit einem Problem an eine Kanzlei wendet.

Und was hat das nun mit Onlinemarketing zu tun?

Sie fragen sich nun, was das alle mit Onlinemarketing zu tun hat, mit Suchmaschinenoptimierung oder gar Google Ads (bis vor kurzem Adwords)? Eine Menge! 

Denn sorgt eine Agentur mit Anzeigen oder Blog­beiträgen dafür, dass mehr Menschen mit einer Kanzlei Kontakt aufnehmen, kann der Umgangston in der Kanzlei und die „Rückmeldekultur“ alles zunichtemachen, was man mühsam über Onlinemarketing aufgebaut hat. Blaffen Kollegen oder Mitarbeiter den potenziellen Neumandanten am Telefon an, sind „wurschtig“, unkonzentriert oder unfreundlich, ist der potenzielle Mandant im Zweifel nach einem ersten Anruf weg – und meldet sich auch nicht mehr. 

Genau solche Fälle konnten wir schon beobachten und reden nicht wie der Blinde von der Farbe: Adwords Kampagnen hatten sehr gute Kennzahlen, die Kanzlei berichtete, dass passende Anrufe und Mails zunahmen. Aber nach einem ersten Kontakt meldeten sich viele Mandanten nie wieder – aus unserer Sicht vor allem in Kanzleien, in denen auch uns ein gewöhnungs­bedürftiger Umgangston aufgefallen war. In anderen Kanzleien exakt das gegenteilige Bild: erfolgreiche Kampagnen, nettes Team, freundlicher Kollege – alles läuft zur vollsten Zufriedenheit. Insofern kann es also durchaus sein, dass Onlinemarketing an der Kanzlei scheitert, nicht an sich. 

Sich selbst und Team schulen lassen

Den richtigen Umgang – ob virtuell oder real – kann man sich selbst und dem gesamten Team beibringen lassen, wenn es nicht von selbst klappen will. Genau für solche Dinge gibt es Dienstleister, die sich exakt nach dem Bedarf von Rechtsanwälten richten. 

Und auch dazu eine kleine Geschichte aus dem Nähkästchen geplaudert: Wenn mich wieder einmal ein Anwalt ohne Vorwarnung am Telefon mit „Müller!!!!“ (Name beispielhaft) – gedacht dazu „wer stört?!“ – begrüßt, denke ich an den Telefonservice einer Arztpraxis im Herzen von München. 

Ruft man dort an, fühlt man sich bereits am Telefon gut behandelt, auch nach Jahren des Wegbleibens der gleiche positive Eindruck. Wenn man in die Praxis kommt setzt sich exakt dieser Eindruck fort. Spricht man den Arzt darauf an, lacht der und sagt: „Unser Personal haben wir aus dem Kundenservice des Hotels „Vier Jahreszeiten“ abgeworben. Die sind dort nicht gut auf uns zu sprechen“.
 
 
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