Rechtsanwälte tun sich – wie fast alle Menschen – schwer mit Veränderung. Nun kommt es aber nicht erst seit gestern dazu, dass sich Anwälte und Kanzleien mit Veränderungen auseinandersetzen müssen: Digitalisierung und modernes (Online-) Marketing verändern die Arbeit von Kanzleien und die Vermarktung von Rechtsdienstleistungen.
Das sehen viele ein. Viele wollen mitmachen bei der Digitalisierung und wissen, dass modernes Marketing z. B. im Internet nottut. Aber damit ist es nicht getan. Allein das Wissen, dass Veränderung notwendig ist und der Wille, irgendwie mitzumachen reicht nicht aus. Wer sich und seine Kanzlei erfolgreich verändern, z. B. digitalisieren, will muss dazu bereit sein, neue Methoden nicht nur zu akzeptieren, sondern sich auf Neues einzulassen und es selbst zu leben.
Sonst kann zwar die Implementierung von irgendwas irgendwie in der Kanzlei funktionieren. Eine Lizenz ist schnell erworben, eine Software installiert, die Website neu gemacht. Aber wo Veränderung nicht wirklich im Kopf stattfindet, wird Veränderung nie gelebte Realität – und damit nie echte Veränderung. Denn letztlich ist auch Veränderung ein Mindset.
Oldtimer sind auch „nicht schlecht“
Veränderung und der Mut zur Veränderung sind bei uns im Agenturalltag immer wieder Thema: Kanzleien nehmen unseren Rat in Anspruch, wollen alles neu und modern gestalten. Erste Entwürfe in diesem Sinne folgen, die euphorisch aufgenommen werden. Dann folgt nicht selten eine gewisse Ernüchterung und es geht drei Schritte zurück: Soll man wirklich? Kann man das machen? Was denken die Kollegen? Und eigentlich war das Alte ja gar nicht so schlecht….
Gerade letzteres Argument ist aber ein Scheinargument gegen Veränderung: Es geht nicht um „es war nicht so schlecht“ sondern um „heute macht man es vielleicht einfach anders“. Ein Oldtimer ist auch nicht schlecht. Aber man würde heute so kein Auto mehr entwerfen und bauen.
Nicht alles was neu ist, ist automatisch gut
Zugegeben, nicht alles Neue ist zwangsläufig gut. Aber hier mache ich mir im Falle der Rechtsberatungsbranche keine Sorgen, dass Kanzleien als Speerspitze der technischen / marketingtechnischen Innovation mit Neuem Schiffbruch erleiden.
Was in der Rechtsberatungsbranche Neues ausprobiert wird, wurde zuvor mit Sicherheit schon in anderen Brachen getestet und wird adaptiert, wenn es anderswo einigermaßen funktioniert hat. Es ist ein wenig wie mit den Trends in Deutschland: was in Berlin Trend ist – Musik, Mode etc. – kommt in München erst drei bis fünf Jahre später an.
Drüber stülpen hilft nicht
Dass Veränderung wirklich im Kopf stattfinden muss, man voller Überzeugung bereit sein muss, etwas neu zu machen – ob Digitalisierung der Kanzleiabläufe oder Marketing, dieser Gedanke waberte schon länger in meinem Kopf umher. Das gilt vor allem, wenn man Kollegen im direkten Kontakt in Projekten anmerkt, dass Sie zwar wissen, dass Sie etwas verändern müssen, es aber eigentlich nicht wirklich wollen.
Die Augen öffnete mir aber kürzlich ein Beitrag in einem Magazin für Onlinemarketing. Hier schreibt der Herausgeber Mario Fischer (Websiteboosting, Heft 54, Seite 22) Folgendes:
„Unternehmen verschlafen wichtige Trends, weil sie mehr mit sich selbst beschäftigt sind. … Vorstände touren durch das Silicon Valley und sehen sich an, wie Unternehmen dort arbeiten. Anschließend kommen sie zurück und es gibt neue bunte Besprechungsräume, Tischtennisplatten und Kicker für die Mitarbeiter. Dann ist man zwar – vielleicht – hipp, sitzt aber einem sog. Cargo-Kult auf. Man ahmt Dinge der Gewinner nach, ohne das wirkliche (neue) Funktionsprinzip dahinter verstanden zu haben.“
Besser kann man das, was man auch zunehmend in unserer Branche beobachten kann, nicht beschreiben. Ein hippes Umfeld und ein bisschen Reinschnuppern, bei denen, die Digitalisierung im Rückenmark haben und durch und durch leben, macht noch keine innovative Kanzlei. Eine Tischtennisplatte und ein Getränkekühlschrank mit Craft Beer für alle macht aus einem Papierliebhaber keinen Anwalt, der seine Verträge souverän in der Cloud verhandelt und verwaltet – etwas überspitzt gesagt.
Und es geht in der Tat noch weiter mit den Wahrheiten in dem oben genannten Beitrag:
„Derzeit sind alle Chefs mit der digitalen Transformation beschäftigt, nutzen selbst noch nicht einmal soziale Plattformen, um zu spüren was sich draußen verändert. Analoge Prozesse werden ohne Re-Thinking digitalisiert und nicht an die neuen Möglichkeiten und Anforderungen angepasst. Das ist reine Rationalisierung, … aber es macht Unternehmen nicht fit für die Zukunft.“
Dem ist an dieser Stelle nichts hinzuzufügen und diese Aussage ist m.E. 1:1 auf Kanzleien übertragbar – auch wenn natürlich Ausnahmen die Regel bestätigen.
Was ich mir für und von Kollegen wünsche
Sie fragen sich nun, was ich mit all dem sagen will? Es ist eigentlich ganz einfach: Trauen Sie sich etwas – für sich und Ihre Kanzlei und zwar nicht nur ein bisschen mit halbem Herzen.
Trauen Sie sich etwas. Und wenn Sie sich nicht allein trauen, dann Fragen Sie Profis – ob für Digitalisierung oder für Marketing -, die Ihnen helfen, dass Veränderung in allen Köpfen Ihrer Kanzlei zum Mindset und zu echter Begeisterung für Neues wird. Denn diese Begeisterung motiviert und bewegt wirklich etwas in Ihrer Kanzlei. Und wenn es dann geschafft ist, ist die Freude groß. Versprochen!
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